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Warum ein Survival Game?

Cold Crash ist ein Überlebensspiel, also ein Spiel, in dem der Spieler nicht die Welt retten oder einen Kriminalfall aufklären muss – es geht ums nackte Überleben. Das war nicht immer so in Computerspielen, das Genre “Überleben” bzw. “Survival” ist relativ jung. Mein Name ist Tim Müßle, ich bin freiberuflicher Journalist und ich habe den Text von Cold Crash geschrieben. Aber warum eigentlich eine Survival Story? Warum kein Thriller, kein Krimi oder Science-Fiction?

Einer der erfolgreichsten und frühesten Vertreter des Genres „Survival Spiel“ ist Resident Evil von Capcom, das 1996 erschienen ist, zunächst für die Playstation. Aus meiner Sicht war Resident Evil noch nicht wirklich gruselig. Jedenfalls lang nicht so wie später Silent Hill. Das war eigentlich das erste Spiel, bei dem ich Lust hatte, die Konsole abzuschalten, weil es einfach zu gruselig war. Wer erinnert sich an die Szene mit dem Rollstuhl (hier im YouTube-Clip ab ca. 02:00) – an sich noch nicht wirklich furchterregend, aber da merkte man schon: Dieses Spiel macht ernst.

Cold Crash im App-Store

Silent Hill machte eine Sache viel, viel besser als alles Grusel-Spiele vorher – die Geräusche waren zum Fürchten. Bis zu Resident Evil hatten es die Entwickler von Videospielen nicht geschafft, ernsthaften Grusel zu erzeugen, wie etwa ein Horrorfilm.

Project Firestart – eines der ersten Survival-Horror-Spiele

Wer sich mit Computerspielen beschäftigte, sah früh die Versuche der Entwickler, den Spieler nervös zu machen. Einige Titel waren auch ganz gut, wie etwa Zombi (1987), Uninvited (1986) oder Project Firestart (1989). Gerade letzteres erinnerte stark an den Film Alien und setzte den Spieler unter Druck, durch Mechanismen, die das Genre heute definieren:

  • Mangel an Ressourcen, vor allem Waffen, Munition, Regenerationsmöglichkeiten
  • starke Gegner, schwache Waffen = Versteckspiel statt Baller-Orgie
  • verwundbare Spielfiguren
  • Gefühl der Isolation
  • eine Gewaltdarstellung, die deutlich über das Vorabendprogramm hinausgeht, ohne  ins comichafte abzugleiten
  • mehrere Enden
  • dynamische Musik und Soundeffekte
  • Storytelling durch Dialoge und auffindbare Notizen, Tagebucheinträge und dergleichen mehr
  • Einblendungen von Ereignissen, die parallel stattfinden, die der Spieler aber nicht beeinflussen kann

Project Firestart zeigte dem Spieler sofort, worum es ging. Kurz zur Story: Im Jahr 2061 bricht die Kommunikation mit dem Forschungsraumschiff Prometheus ab, der Spieler wird geschickt, um nach dem rechten zu sehen. Eine der ersten Grafiken zeigt eine Leiche an Bord des Forschungsraumschiffes, die mit dem eigenen Blut das Wort “Danger” an die Wand geschrieben hat – ein Meilenstein auf dem Weg der Computerspiele in die Welt der Erwachsenen.

Survival Games bedeuten: Überleben

1986 sah ich bei Project Firestart einen Riesenschritt in der Entwicklung der Games. Das Genre selbst packte mich sofort – Survival, bedeutete: Du und ich, stinknormale Menschen, plötzlich gefangen im Keller des Serienkillers. Verloren im einsamen Wald. Allein in einer verlassenen Polizeistation, umzingelt von lebenden Toten, bewaffnet mit einem nutzlosen Messer und einer Pistole mit viel zu wenig Kugeln.

Auf einmal waren die Storys in den Computerspielen persönlich geworden. Survival im Spiel, das bedeutet vor allem zwei Dinge:

  1. Weniger ist mehr: Weniger Aliens, keine Strahlenkanonen, keine Armeen, keine Weltreise, keine Gruppe von Spielfiguren; Ziel des Spiels ist es, heil aus der Sache herauszukommen – Survival eben – und nicht, den ganzen Planeten zu befreien.
  2. Hohe persönliche Einsätze: der Spieler ist schnell verwundbar, er hat kaum Ressourcen, er braucht jede Schraube, die er findet. Die Spielfigur kann die Welt kaum beeinflussen, gerade weil der Spieler eben kein Raumschiff, keine Wunderwaffe und keine Armee hat. Es geht auch gar nicht um die Welt oder um eine ganze Stadt. Es geht nur ums nackte Überleben.

“Ich weiß noch genau, wie wir zum ersten Mal über die Story gesprochen haben”, sagt Joachim Mertens, der Cold Crash programmiert hat. “Der Vorschlag mit dem Winter, auf dem Berg, ich kannte das Gefühl sofort.” Joachim ist Snowboarder, und er weiß, wie es sich anfühlt, wenn man buchstäblich die Hand nicht mehr vor Augen sieht.

„Du siehst nur noch Weiß, du fliegst hin, sofort auf die Fresse“

Joachim Mertens: “Ich habe schon mal mein Snowboard nicht mehr gesehen, so dicht war der Nebel. Das kann man sich gar nicht vorstellen, man sieht keine Kontur, nur noch Weiß, du fliegst hin, sofort auf die Fresse, weil du einfach gar nichts mehr siehst.”

Cold Crash im App-Store

Außerdem kennt Joachim das Gefühl, das sich oben auf dem Berg einschleicht, wenn der Lift auf einmal stehen bleibt. Und es dunkel wird. Nebel aufzieht. Wo sind denn die anderen? Habe ich mich verfahren? Warum ist hier niemand? Die Piste sollte doch eigentlich gleich da hinten sein…

Genau das ist Survvial. In diesem Genre sind die Hauptdarsteller überrascht, wie dünn der Mantel der Zivilisation wirklich ist. Plötzlich sind sie auf sich allein gestellt und müssen Ressourcen mobilisieren, von denen sie gar nicht wussten, dass sie sie haben. Und warum? Reiner Zufall! Hätte auch jemand anders treffen können – hat es aber nicht. So wird Otto Normalverbraucher zum Helden.

Wenn er denn überlebt.


Tim Müßle

Journalist, Redakteur, PR-Berater, Autor Freier Journalist Tim Müßle info@timmuessle.de

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